Das Bahnhofsgebäude in Lennep aus dem Jahre 1910, architektonisch der Gründerzeit zuzuordnen, war jahrelang ein Sorgenkind der Stadt Remscheid. So gestern Nachmittag Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz. Rund 30 Interessenten kamen in den vergangenen Jahren und gingen wieder. Den Investoren fehlten die zündenden Ideen, wie sie das Gebäude, bislang Eigentum der DB Station&Service AG, gewinnbringend vermarkten könnten. Einer von ihnen wollte alles abreißen und neu bauen, doch damit war Carsten Kirchhoff, Projektleiter bei der BahnflächenEntwicklungsGesellschaft NRW mbH (BEG), nicht einverstanden. Die BEG ist eine gemeinsame Tochter des Landes Nordrhein-Westfalen und der Deutschen Bahn und hat bereits für 90 ehemalige Bahnhofsgebäude im Lande Käufer gefunden. In Remscheid arbeitete sie eng mit der Stadt zusammen und entwickelte auf entbehrlichen Bahnflächen im Umfeld des Bahnhofs Lennep ein neues Gewerbegebiet. Für das Lenneper Bahnhofsgebäude suchte Carsten Kirchhoff nach einem örtlichen Investor und neuen Nutzer in einer Person, der ein überzeugendem Nutzungs-, Umbau- und Finanzierungskonzept vorweisen konnte. Lange Zeit suchte er vergeblich gemeinsam mit Claus-Thomas Hübler und Thomas Hildebrand-Effelberg vom städtischen Zentraldienst Stadtentwicklung und Wirtschaft. In dem Lenneper Ingo Brögelmann (Als Kind habe ich am Bahnhof gespielt!) und seiner Frau Margarete fanden sie jetzt endlich die idealen Käufer. Kirchhoff: Ihr Konzept hat uns überzeugt. Das Warten hat sich gelohnt! Zumal es für Lennep neue Arbeitsplätze vorsieht.

Margarete und Ingo Brögelmann haben mit dem ehemaligen
Bahnhofsgebäude viel vor, berichteten sie gestern bei der offiziellen
Schlüsselübergabe im Dienstzimmer des
Oberbürgermeisters: Die vier Wohnungen
in dem rechten Anbau mit je 100 Quadratmetern Wohnfläche sollen modernisiert
und dann vermietet werden. Im linken Anbau aus den 1960er Jahren (ca. 50
Quadratmeter, einst die Expressgutannahmestelle für Waren der BARMAG) will das Ehepaar
ein kleines Café nebst Kiosk betreiben und setzt dabei auf die rund 3.500
Fahrgäste, die täglich am Bahnhof Lennep abfahren und ankommen, sowie auf die
Nutzer der Balkan-Trasse, die quasi vor ihrer neuen Haustüre endet bzw.
beginnt. Dieser Anbau erhält zudem ein Obergeschoss und ein Satteldach, so dass
er städtebaulich besser mit dem rechten Anbau und dem Hauptbaukörper harmoniert.
Vor allem aber: Im Erdgeschoss (Schalterhalle) und im darüber vorgesehenen ersten
Obergeschoss wird die Physiotherapiepraxis einziehen, die Ingo Brögelmann im
Jahre 1996 im Haus Kölner Straße 87 eröffnete. Seitdem hat er für die 750 Quadratmeter
schon viel Miete gezahlt. Da bot es sich
in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase an, nach einer eigenen Immobilie zu
suchen. Zumal die Praxis für Physiotherapie und Logopädie nebst
FPZ-Rückenzentrum beständig gewachsen ist; heute hat der Betrieb 25 Angestellte
und stößt räumlich an seine Grenzen, so der Inhaber.
Oberbürgermeister Mast-Weisz: Ich freue mich, dass mit dem Empfangsgebäude am Bahnhof Lennep ein weiterer Schritt zur Entwicklung des Bahnhofsumfelds getan wird und bedanke mich ausdrücklich bei dem Ehepaar Brögelmann für das außerordentliche Engagement für Lennep und das stadtbildprägende Gebäude. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass sich mit dem Ehepaar Brögelmann ortsansässige Investoren für das Projekt entschieden haben und qualifizierte Arbeitsplätze in Lennep gesichert und ausgebaut werden. Bei der BEG bedanke ich mich für die konstruktive und enge Zusammenarbeit. Carsten Kirchhoff gab diesen Dank namens der BEG gerne zurück.

Margarete und Ingo Brögelmann sehen in dem ehemaligen
Bahnhofsgebäude für ihre Physiotherapiepraxis ganz neue Möglichkeiten. Wir
wollen dort zusätzliche Therapieangebote schaffen z.B. Ergotherapie, Reha-Sport
und freies Gerätetraining unter Anleitung von medizinischem Fachpersonal!
Letzteres für Kassenpatienten wie für freie Kunden. Hinzukommen sollen auch
Gesundheitsberatung, Ergotherapie, Präventionskurse und Wellness. Eingeplant
sind im Erd- und 1. Obergeschoss insgesamt 13 Behandlungskabinen für die
Physiotherapeut/innen und ihre Patienten. Ingo Brögelmann: Die kleinste Kabine
wird so groß werden wie heute unsere größte! Insgesamt summiert sich die künftige
Nutzfläche auf rund 1.100 Quadratmeter.
Mit ihren Planungen will das beauftragte Architektenteam im
Oktober soweit sein, dass bei der Stadt der Bauantrag eingereicht werden kann. Im
September könnten dann die ersten Räumungs- und Entkernungsarbeiten beginnen. Die
Baugenehmigung der Stadt erhofft sich das Ehepaar für Frühjahr 2015. Es geht von
einer Bauzeit von rund sechs bis acht Monaten aus. Carsten Kirchhoff gestern: Die
Bausubstanz ist in Ordnung. 1964 bis 1967 wurde das Gebäude durch die Bahn
saniert; es hat ein dickes Ziegelmauerwerk. Aber gemessen an den Umbauplänen
ist es nicht mehr als ein qualifizierter Rohbau mit Dach! Die Decke, die in den
1960er Jahren über der bis dahin dachhohen Schalterhalle eingezogen wurde, soll
wieder herausgerissen und durch zwei teilweise offene Zwischenebenen ersetzt werden.
Sie werden auf vier Betonpfeilern ruhen, die ebenfalls neu gegossen werden
müssen.
Die historische Fassade des Gebäudes ist zwar nicht
denkmalgeschützt, aber aus der Sicht der Stadtplaner ein Identifikationspunkt
in Lennep. Deshalb soll die Fassade erhalten bleiben und saniert werden. Der
Hauptzugang zur Praxis erfolgt später über das stadtbildprägende Portal des Gebäudes.