Erster Dialog über abgestimmte Flüchtlingshilfe in Remscheid, titelte der Waterbölles am 5. Dezember 2014, nachdem Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz zu einem ersten Dialog Flucht in den Großen Sitzungssaal des Rathauses eingeladen hatte. Der war bis auf den letzten Platz besetzt, als der OB an die Hilfsbereitschaft der Remscheider Bevölkerung appellierte: Ehrenamtler könnten auf zahlreichen Gebieten Flüchtlingen helfen, und dabei komme es auf schnelle Hilfen ebenso an wie auf mittel- und langfristige. Denn die Zahl der Flüchtlinge in Remscheid werde in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Ein Appell, der auf fruchtbaren Boden gefallen ist: Mit dem festen Entschluss, den in Remscheid lebenden Flüchtlingen inzwischen sind es 650, darunter 100 Kinder im Alter bis 6 Jahren und 121 Kinder zwischen 7 und 18 Jahre (Stand: 18.2.2015) in irgendeiner Form zu helfen, kamen am Dienstagabend im Kleinen Sitzungssaal des Rathauses 60 Bürgerinnen und Bürger zusammen. Zu dem Treffen hatten der Verein BAF (Begegnen, Annehmen, Fördern), der die Flüchtlinge im Auftrag der Stadt betreut, das Kommunale Integrationszentrum der Stadt Remscheid, der Arbeitskreis Asyl und der Caritasverband Remscheid aufgrund zahlreicher Anfragen und Hilfsangebote kurzfristig eingeladen. Dass die Stühle im Saal nicht ausreichen würden, hatte niemand erwartet. Von so viel Hilfsbereitschaft zeigten sich Martin Sternkopf und Sevinc Brilling (Integrationszentrum) ebenso überwältigt wie Sandra Engelberg, Rosina Wastl, Ursula Krieger und Agnes Skowonek (Caritas) sowie Daniela Krein (BAF). Gemeinsam erläuterten sie den engagierten Männern und Frauen, wo der Bedarf am größten ist: In den vier Flüchtlingsheimen Klauser Delle, Schwelmer Straße, Talsperrenweg und Wülfingstaße.
Erst in zwei dieser Heimen ist es bislang gelungen, für Flüchtlingskinder einen Platz zum Spielen zu schaffen. Sternkopf: Der Zustrom von Flüchtlingen reißt nicht ab. Wir sind dazu übergegangen, ganze Wohnblocks anzumieten, und hoffen darauf, das neue Übergangsheim in Hasten in August in Betrieb nehmen zu können! Die Unterbringung neu zugewiesener Flüchtlinge in Turnhallen oder gar Zelten will die Stadt möglichst vermeiden.
Während im Saal Listen kursierten, in denen nach E-Mail-Adresse, Name, Hilfsinteresse sowie wohnungsnahen und zeitlichen Möglichkeiten gefragt wurde, beschrieben Rosina Wastl und Agnes Skowonek das Spektrum möglicher Hilfen, angefangen bei Sprach- und Jobpaten über Alltagsbegleitung kleiner Gruppen beim Einkauf, dem Kennenlernen der Stadt oder einfach nur beim Spazierengehen (Freizeit) bis hin zu Hilfestellungen beim Umgang mit Behörden, etwa dem Ausfüllen von Formularen, Hausaufgabenhilfe, der Betreuung von Kindern traumatisierter Väter und Mütter (Projekt PUK). Aber auch Sachspenden (Kleidung, Wäsche, Hausrat etc.) wollen organisiert sein. In der katholische Pfarrgemeinschaft St. Josef wird beispielsweise überlegt, für diese Textilienspenden einen Nähkurs einzurichten, wenn sich genug Ehrenamtler dafür melden. Ein anderes Beispiel: Die BAF sucht jemanden, der die Verantwortung für einen Koffer voller Kinderbücher übernimmt, die künftig regelmäßig in den vier Heinen ausgeliehen werden sollen. Und ein drittes Beispiel: Gesucht werden Führerscheinbesitzer mit eigenem Auto, die bereit wären, Mütter/Väter mit ihrem Kind zum Arzt zu fahren. Um fehlenden Versicherungsschutz bräuchten sich diese Ehrenamtler keine Sorgen zu machen. Sandra Engelberg: Alle Ehrenamtler, die bei einem Sozialverband registriert sind, haben automatisch Haftpflicht- und Unfallschutz!
Und genau das ist auch vorgesehen. Martin Sternkopf: Alle Helferinnen und Helfer werden bei Trägervereinen andocken! Schon allein aus finanziellen Gründen. Zwar können die Ehrenamtler mit keiner Aufwandsentschädigung rechnen (danach wurde aber auch nicht gefragt), wohl aber mit der Erstattung von Kosten. Dafür hat das Land NRW Geld locker gemacht. Aus diesem Topf werden voraussichtlich 18.000 Euro nach Remscheid fließen, genauer: an die institutionellen Sozialverbände und ihre Ehrenamtlichen. Erstattet werden können dann beispielsweise die Ausgaben für einen Zoobesuch, Spiele, Malstifte, Papier und eben auch Fahrtkosten.
Unterstützung durch Dolmetscher? lautete die Frage, die mehrfach aus dem Plenum kam. Sandra Engelberg: Viele Flüchtlinge können sich halbwegs verständlich machen. Haben Sie keine Scheu, mit ein wenig Fantasie klappt das schon! Will sagen: In der Regel sind die Helferinnen und Helfer im Umgang mit den Flüchtlingen auf sich alleine gestellt. In einem anderen, ebenfalls sehr wichtigen Punkt können sie jedoch selbst mit Rat und Hilfe rechnen: Den Ehrenamtlern soll ein Gesprächskreis im Team (mit Coach) angeboten werden, in dem sie ebenso Informationen über Asylverfahren bekommen können wie Ratschläge im Umgang mit traumatisierten Menschen oder fremdenfeindlichen (Stammtisch-)Parolen.
Als Treffpunkt für Ehrenamtliche und Flüchtlinge bietet sich in Remscheid seit kurzem das World-Café im Lotsenpunkt in Lennep an, Kölner Straße 3 (jede ungerade Kalenderwoche mittwochs von 13 bis 16 Uhr). Dabei handelt es sich um ein offenes, thematisch geleitetes Gruppenangebot. Es richtet sich an die Flüchtlinge in unserer Stadt sowie an interessierte Bürger/innen, Ehrenamtliche und Gemeindeglieder. Ziel ist es, durch das Knüpfen neuer Kontakte und den gegenseitigen Austausch Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Dies findet in Gesprächsrunden sowie in gemeinsamen Gruppenarbeiten zu verschiedenen Themen statt. Weiterhin werden unterschiedliche Perspektiven aufgezeigt, Ideen entwickelt und miteinander verknüpft. Engelberg: "Besonders interessant war bisher das gegenseitige Kennenlernen von Bürger/innen und Flüchtlingen, die unter anderem aus Äthiopien, Tadschikistan, Afghanistan, Eritrea und dem Iran kommen." Ein weiteres Angebot der Caritas ist das Sprachcafé (dienstags von 10 bis 12 Uhr, Anmeldung unter Tel. RS 4609754). - Es kommt darauf an, den Alltag der Flüchtlingen etwas ansprechender zu gestalten, fasst Sandra Engelberg zusammen. Dass dabei viele Menschen mithelfen wollen, mache sie froh und glücklich, bekennt Daniela Krein.