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Mehr Arbeit für den Caritaspflegedienst, aber Personal fehlt

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Werner Fußwinkel.Hans-Peter Braun.

Das Jahr 2013 war für den Caritasverband Remscheid geprägt von unterschiedlichen Wirklichkeiten. Auf der einen Seite war die Rede von einer florierenden Wirtschaft, steigenden Exportüberschüssen und bundesweit sinkenden Arbeitslosenzahlen. „Aber auf der anderen Seite war unverkennbar, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosigkeit stagniert und – ein Phänomen gerade in Remscheid – die Zahl der von der Stadt zu unterstützenden Bedarfsgemeinschaften weiter steigt“, sagte Werner Fußwinkel, der Vorsitzende des Caritasverbandes Remscheid e.V., als er gestern gemeinsam mit dem ehrenamtlichen stellvertretenden Vorsitzenden Hanspeter Braun den Jahresbericht 2013 erläuterte. „Die Schere zwischen Arm und Reich ging auch im vergangenen Jahr wieder weiter auseinander, das heißt, die Zahl der Menschen, die Unterstützung brauchen, um am Leben in der Gesellschaft halbwegs teilnehmen zu können, ist weiter gestiegen!“

2013 stieg die Zahl der Bedarfsgemeinschaften in der Stadt um ca. 200. Von den mehr als 5.000 Arbeitslosen sind ca. 2.000 Langzeitarbeitslose. Für sie stehen derzeit etwa 180 Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) bereit (im vergangenen Jahr machten die Freien Wohlfahrtsverbände auf diese Situation mit einer Demo auf der Rathaustreppe aufmerksam: „Stell mich an, nicht ab!“). Etwa 12.000 Menschen leben von Transferleistungen (darunter mehr als 3.000 Kinder). Etwa 1.800 Personen sind in Remscheid als nicht vermittlungsfähig eingestuft. „Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Anstieg der Bedarfsgemeinschaften spiegeln sich unter anderem in einer allgemein erhöhten Inanspruchnahme sozialer Dienste“, ist in Jahresbericht 2013 der Caritas Remscheid nachzulesen. Jeden Monat melden sich in der Geschäftsstelle an der Blumenstraße zwischen 1.500 und 1.700 Ratssuchenden, wo sie dann an die Berater/innen der jeweiligen Fachdienste weiter verwiesen werden.

Sozialarbeiterin Dorothee Biehl (Foto rechts) ist für die „Allgemeine Sozialberatung“ (ASB)zuständig, eine Art „Clearingstelle“ für Menschen mit mannigfaltigen Problemen. Im vergangenen Jahr zählte sie insgesamt 557 Ratsuchende (2012: 498). Die stetig steigende Zahl sei „ein Ausdruck der prekären Lebenslagen vieler in Remscheid lebender Menschen“, heißt es im Jahresbericht. „Armut und Ohnmacht gehören leider zu einem bestimmenden Lebensgefühl vieler Bürger und Bürgerinnen dieser Stadt.“ Entsprechend nehmen die Aufgaben der Caritas zu. In 2013 hat sich der Personalbestand gegenüber dem Vorjahr geringfügig erhöht (von 47,6 auf 49,5 Planstellen, wobei zahlreiche Planstellen mit zwei oder drei Teilzeitkräften besetzt sind. Auch können immer mehr Arbeitsverhältnisse wegen der Projektfinanzierung nur noch zeitlich befristet abgeschlossen werden.

Dorotheee Biehl.

Die Beratung durch die Mitarbeiter/innen der Caritas steht allen offen. Schwarz auf weiß hat die Caritas inzwischen, mit welchen Angeboten sie richtig liegt und welche verbesserungswürdig sind. Dafür hat das Projekt „Zugangswege zu den Angeboten der Caritas“ (ZAC) gesorgt, eine Sozialanalyse,  die vom Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. in Auftrag gegeben und von der xit GmbH in Nürnberg konzipiert und begleitet wurde, einem Forschungsdienstleister für Organisationen und Unternehmen der Sozialwirtschaft. Er fand u. a. durch Passantenbefragungen heraus, dass die Caritas in Remscheid durchweg bekannt ist (78 Prozent) und die Arbeit ihrer Fachdienste geschätzt wird (sehr zufrieden = 65 Prozent; eher zufrieden = 19 Prozent). Die Studie lieferte aber auch eine Sozialanalyse der Stadt Remscheid. Demnach leben in Remscheid 9.553 Haushalte unterhalb von 1.500 € Einkommen. Single und Familienhaushalte halten sich in etwa die Waage, wobei es einen leichten Überhang an Singlehaushalten gibt. Gerade Familien mit Kindern und einem niedrigen Familieneinkommen sind vielen Widrigkeiten ausgesetzt, die für andere oft nicht nachvollziehbar sind. Die Haushaltseinkommen innerhalb Remscheids weisen große Unterschiede auf. Gerade in der Innenstadt leben viele Menschen mit einem geringen Einkommen, was dort auf eine überdurchschnittliche Armutsgefährdung schließen lasse. Weitere Ergebnisse:

  • starker Bevölkerungsrückgang
  • starke Alterung (im Stadtteil Lennep  sind 39,4 Prozent der Einwohner/innen 60 Jahre und älter).
  • überdurchschnittliche Anteile ausländischer Bevölkerung und Bevölkerung mit Migrationshintergrund
  • relativ hohe Schuldenquote der Verbraucher
  • überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit.

Aus der Auswertung des Zahlenmaterials ergeben sich für die Caritas auch neue Zielsetzungen für ihre Arbeit. Daraus entstand der neue „Lotsenpunkt“ in der Lenneper Altstadt (Kölner Straße“, der seit gestern auch im Internet vertreten ist (http://www.lotsenpunkt-lennep.de). Die neue Anlaufstelle wird mitgetragen von der katholischen Pfarrei St. Bonaventura und Heilig Kreuz und richtet sich „anhttp://www.lotsenpunkt-lennep.de/index_htm_files/0.gif alle Menschen im Stadtteil, die Informationen, ein offenes Ohr,  Rat und Unterstützunghttp://www.lotsenpunkt-lennep.de/index_htm_files/0.gif suchen“. (geöffnet Montag bis Freitag von 10 bis16 Uhr). Ehrenamtliche „Lotsen“ stehen dort bereit, Ratsuchenden den für sie richtigen Ansprechpartner bei der Caritas oder einem anderen Wohlfahrtsverband zu nennen.

Empfohlen haben die Sozialwissenschaftler der xit GMBH der Caritas Remscheid eine bessere interne Vernetzung der einzelnen Fachdienste und die Überarbeitung einiger Informationsbroschüren, in denen die Ansprechpartner / Anlaufstellen nicht deutlich genug vorgestellt werden.

Der Jahresetat der Caritas Remscheid verzeichnet Aufwendungen in Höhe von 3,27 Millionen Euro. Ca. 78,7 Prozent davon sind Personalkosten. Diesen Aufwendungen standen Erträge aus Leistungsentgelten (44,1 Prozent), öffentlichen Mittel von Bund, Land und Stadt (ca. 24,1 Prozent) sowie kirchliche und Eigenmittel (18,9 Prozent) gegenüber. Werner Fußwinkel: „Tariferhöhungen haben unsere Finanzlage im Vorjahr erheblich belastet, weil die Erträge aus den Fachleistungs- und Pflegesätzen der Krankenkassen wiederum dieser Entwicklung nur zeitverzögert oder gar nicht nachgekommen sind!“

Als Glück empfinden es Fußwinkel und Braun Glück in dieser Situation, dass der Bürgersinn in Remscheid ausgeprägt ist. Fußwinkel nannte gestern ein Beispiel: „Wenn wir für unsere ambulante Pflege eine neue Sachausstattung brauchen, etwa einen Kleinwagen, dann findet sich ein Sponsor!“ Ein echtes Problem ist dagegen die Personalbeschaffung. Examinierte Kranken- und Altenpfleger/innen sind auf dem freien Markt kaum noch zu bekommen. „Wir haben offene Stellen, finden aber niemanden!“ Der Grund: Beide Berufe sind in der Gesellschaft hoch angesehen, werden aber, gemessen an ihrer hohen Verantwortung, zu gering bezahlt. Schulabgänger suchen ihre berufliche Zukunft deshalb lieber auf anderen Feldern. Das Problem für die Caritas: Die Nachfragen meist älterer Mitbürger nach Hilfe durch den Caritaspflegedienst erhöhen sich Jahr für Jahr.


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