Niemand wird ernsthaft leugnen, dass die Gewerkschaften maßgeblich
zu unserem heutigen Lebensstandard und zum Erfolg der sozialen Marktwirtschaft
in Deutschland beigetragen haben. Vieles, was wir heute als selbstverständlich
ansehen, sind in Wirklichkeit Errungenschaften unserer Gewerkschaften!, sagte
Oberbürgermeisterin Beate Wilding gestern vor zahlreichen Gewerkschaftsvertretern
und Arbeitnehmern im Großen Sitzungssaal des Rathauses, und da war niemand, der
ihr widersprochen hätte. Der Empfang am Vorabend des 1. Mai, zu dem die OB gemeinsam
mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Kreisverband Remscheid eingeladen hatte
(gestern vertreten durch seinen Vorsitzenden Martin Klück (ver.di) und seine
beiden Stellvertreter Gottfried Meyer (IG Metall) und Erden Ankay-Nachtwein,
hat inzwischen gute Tradition. Meist läuft sich dabei am Mikrophon der Hauptredner
der Mai-Kundgebung des nächsten Morgens warm. Doch Gabriele Schmidt, die Vorsitzende
des ver.di-Landesverbandes NRW, die diese Rede heute halten wird, war gestern
leider verhindert. An ihrer Stelle sprach Gottfried Meyer. Der Betriebsratsvorsitzende
von Vaillant Europa war sich mit Beate Wilding einig: Starke Gewerkschaften,
die sich für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen,
seien so wichtig in diesem Land wie eh und je. Und dafür gelte es am 1. Mai zu
demonstrieren.
![Ariana NBöker und Harald Neumann sangen "Brüger, zur Sonne, zur Freiheit!". Foto: Lothar Kaiser]()
Zweifellos hätten sich im Wandel der Zeit die
Herausforderungen gewerkschaftlicher Arbeit verändert, hatte Wilding erklärt. Während
früher harte, körperlich gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen in Fabriken
und Industriebetrieben der Regelfall waren, so findet man heute - auch dank der
Arbeit der Gewerkschaften - deutlich bessere Arbeitsbedingungen vor. Saubere
Arbeitsplätze, die ein sicheres Arbeiten mit geringer Unfallrate bieten, seien
heute die Regel. Dafür gebe es heute andere Probleme: Angst vor
Arbeitslosigkeit, Stress durchhohe
Arbeitsbelastung, die Familie als Armutsrisiko. Beate Wilding: Wir können uns nicht
über einen Mangel an Geburten beklagen und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für
Familien nicht konsequent verbessern. Es ist heute nur schwer möglich, von
einem einzigen Gehalt eine Familie zu ernähren und dabei Lebensperspektiven zu
eröffnen. Deshalb sei es wichtig, beiden Elternteilen die Teilhabe am
Arbeitsleben durch Betreuungsangebote für die Kinder und flexible
Arbeitsangebote zu ermöglichen.
Der Weg zu einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn scheine
geebnet, fuhr die Oberbürgermeisterin fort. Dagegen wachse das Unwesen der
Werkverträge weiter. Der Slogan Der Markt regelt alles" habe sich selber
ad absurdum geführt. Richtig sei vielmehr: Die Märkte müssen unter den
Rahmenbedingungen funktionieren, die die Politik ihnen gibt. Dies gilt für
Arbeitsmärkte genauso wie für Finanzmärkte. Aufgabe der Politik ist es dabei,
das gesellschaftliche und wirtschaftliche Wirken in unserem Land mit
Leitplanken zu versehen. Wir brauchen keinen Staat, der alles bis ins kleinste
Detail regelt. Wir brauchen aber auch keinen Staat, der die Füße auf den
Regierungstisch legt und sich auf die Regulierung durch die Märkte verlässt.
Wir brauchen Rahmenbedingungen für gute Arbeit, attraktive Arbeitsbedingungen
und faire Bezahlung!
![Gottfried Meyer, stellv. Vorsitzender des DGB Remscheid. Foto: Lothar Kaiser]()
Gottfried Meyer erinnerte daran, dass der DGB und seine Gewerkschaften
für den Mindestlohn ein Jahrzehnt geackert hätten. Aber: Der Mindestlohn müsse
ab 1. Januar 2015 für alle gelten.Ausnahmen
vom Mindestlohn lehnen wir kategorisch ab, auch für Jugendliche oder
Langzeiterwerbslose. Denn solche Ausnahmen sind Diskriminierung und damit
verfassungswidrig! Ein neuer Tarifvertrag führe auch bei Leiharbeit zu höheren
Einkommen. Aber: Noch sei das Ziel von equal pay nicht erreicht. Und das
gelte leider auch für die Bezahlung von Frauen. Für diese seien insbesondere
Minijobs eine Niedriglohnfalle. Besonders in Ostdeutschland habe die Politik
jahrelang Tarifflucht und Niedriglohn unterstützt. Massenarbeitslosigkeit und
Armut führen auch in Mittel- und Osteuropa dazu, dass Menschen im übrigen
Europa Arbeit suchen. Die überwältigende Mehrheit der Zuwanderer findet einen
Arbeitsplatz, zahlt Steuern und Sozialversicherung und trägt zum Gelingen des
Gemeinweisens bei; wir brauchen sie. Doch viele Menschen werden systematisch
von Schleppern, Vermittlern, Vermietern und Betrieben, in den Herkunftsländern
und in Deutschland, ausgepresst und um ihre Rechte gebracht. Da geht es um
organisierte Kriminalität mit Profiten wie im Drogenhandel! Migrantinnen und
Migranten sind seit jeher unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben.
Diejenigen, die hier arbeiten und leben, sind uns willkommen. Und die, die
jetzt Opfer krimineller Profiteure werden, weil sie grenzüberschreitend einen
Ausweg aus Erwerbslosigkeit und Armut suchen, brauchen unsere Solidarität. Die
Kommunen, die deswegen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, müssen unterstützt
werden!
Wirtschaftlich brauche Europa keine weiteren Sparexzesse,
sondern als Kurswechsel eine Art Marshallplan. So könnten in den Krisenländern
zukunftsfähige Industrien auf- und ausgebaut und in eine europäische
Energiewende investiert werden. Auch müssten die Rechte des Europäischen Parlaments
gestärkt werden, damit das Vertrauen der Menschen in Europa wieder wachsen könne.
Bei der bevorstehenden Europawahl komme es darauf an, Rechtspopulisten,
Nationalisten und Rechtsextremisten, die eine soziale Entwicklung Europas
blockieren, weil sie Europa insgesamt ablehnen, eine eindeutige Absage zu erteilen.
Sie haben in Deutschland und in Europa keinen Platz! (Starker Beifall im Saal)
(Musikalisch
gestalteten den Arbeitnehmerempfang Ariana Böker, Thomas Vössing und Harald
Neumann)